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1311 NRW-Soli auf wackeligen Beinen

 

Eigentlich klingt die Idee ja gar nicht so falsch: Vielen Kommunen in Nordrhein-Westfalen geht es finanziell schlecht, darum sollen die finanzstarken Städte und Gemeinden sie mit einem Teil ihres Geldes unterstützen. So weit der Grundgedanke der rot-grünen Landesregierung. Doch der Teufel steckt wie so häufig im Detail. Um nämlich die notwendigen Finanzen landesweit zusammen zu bekommen, wurde in der Gesetzesvorlage etwas zu kurz gedacht. „Zugrundegelegt wurde die Steuerkraft der Kommunen, also die Einnahmen zwischen dem 1. Juli 2012 und dem 30. Juni 2013“, erklärt Martin Gentzsch, Kämmerer der Stadt Ratingen. „Das lässt die tatsächliche Haushaltslage der Städte völlig außer Acht und kann so nicht richtig sein.“

Das Rechenmodell der Landesregierung führt zu geradezu absurden Beispielen. Sprockhövel ist zwar gemäß der Einnahmesituation im Betrachtungszeitraum abundant, aber bereits bilanziell überschuldet und erhält deshalb Zuwendungen aus dem  „Stärkungspakt Stadtfinanzen“. Sprockhövel wird also für die Jahre 2014 bis 2016 nicht zur Kasse gebeten.
Ganz anders sieht die Situation in Grevenbroich aus. Auch diese Stadt ist abundant, partizipiert aber als (noch) nicht überschuldete Gemeinde eben nicht am seit 2011 bestehenden Stärkungspakt. Sie soll laut Modellrechnung der Landesregierung ab dem kommenden Jahr rund 1,4 Millionen Euro als Umlage zahlen. Erwartet wird in Grevenbroich aber ein Haushaltsdefizit von 35,6 Millionen Euro allein für 2014. Andere Kommunen stünden 2014 fast oder tatsächlich gut da und geraten erst durch die Abgabe ins Defizit.

Schon daran wird offensichtlich, dass die Berechnungsgrundlage, die sich die Landespolitiker in Düsseldorf ausgedacht haben, nicht stimmig sein kann. Genau da setzt die Kritik der Kommunen und auch aller Sachverständigen an, die insbesondere in einer Anhörung Mitte Oktober laut wurde. Die für den 7. November angesetzten Beratungen im Landtag wurden verschoben, kurz nach Redaktionsschluss unserer Ausgabe traten zunächst noch einmal die einzelnen Fraktionen zusammen, um Nachbesserungen zu diskutieren. Für Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann kann an dem Gesetzentwurf aber nicht mehr viel verbessert werden. „Mögliche Änderungen an dem Vorhaben werden nicht so gravierend sein, dass wir als Geberstädte auf unsere Klage werden verzichten können“, kündigt er stellvertretend für mindestens 54 Kommunen aus NRW an, die sich bereits auf den Klageweg verständigt haben. Monheim ist die Stadt, die mit fast 50 Millionen Euro den größten Anteil der insgesamt 181.578.000 Euro tragen soll. Diese Summe sollen 59 Gemeinden aufbringen, wenn es nach der Modellrechnung der Landesregierung geht. Der Löwenanteil entfällt dabei auf eine zusammenhängende Region: Die Stadt Düsseldorf (26,54 Millionen Euro) und fünf Kommunen aus dem Kreis Mettmann (neben Monheim noch Haan, Hilden, Langenfeld und Ratingen). Alle zusammen sollen den Berechnungen zufolge über die Hälfte der Gesamtsumme tragen.

Fiktiver Hebesatz
In Monheim könnte die erhebliche Zusatzbelastung nur getragen werden, wenn noch mehr Einnahmen aus der Gewerbesteuer fließen. Die hatte die Stadt seit 2011 erheblich steigern können. Damals wurde eine Senkung des Hebesatzes von 435 Prozentpunkten (2011) auf 300 ab dem Jahr 2012 durchgesetzt, was zur Ansiedlung vieler neuer Firmen und damit zu höheren Einnahmen in der Stadtkasse führte. Für 2014 soll eine weitere Senkung auf dann 218 Punkte folgen. „Wir erwarten dadurch eine weitere Steigerung um rund fünf Prozent auf dann 200 Millionen Euro“, sagt Daniel Zimmermann. Weil das Land NRW aber von einem sogenannten „fiktiven Hebesatz“ von 411 Prozent ausgeht, wird die niedrige Gewerbesteuer in Monheim zum Problem. „Unsere Einnahmen werden künstlich hoch- und die Ausgaben auf der anderen Seite durch einen statistisch unterstellten Finanzbedarf künstlich niedriggerechnet. Das passt vorne und hinten nicht.“

Als einzige Kommune des Kreises Mettmann erhält Velbert Gelder aus dem Solidarpakt. „Wir haben damals freiwillig die Chance zur Unterstützung vom Land genutzt“, sagt Dirk Lukrafka, Fachbereichsleiter Finanzen und seit dem 1. November dieses Jahres Kämmerer in der 80.000-Einwohner-Stadt. Mit dem Ziel, 2016 den Haushaltsausgleich zu erreichen, war dort bereits 2010 eine deutlich über die Gemeindeordnung hinausgehende Finanzplanung über fünf Jahre vorgelegt worden. „Daran mussten wir nur noch wenige Änderungen vornehmen, um den Antrag stellen zu können.“ In den Jahren 2014, 2015 und 2016 soll Velbert nun jeweils 4,88 Millionen Euro aus dem Solidaritätspakt bekommen. Das hilft der Verwaltung, den Haushaltsausgleich in den noch verbliebenen drei Jahren zu schaffen, doch Lukrafka kann seine Kämmerer-Kollegen aus dem Kreis gut verstehen: „Wir sind natürlich froh über die Finanzspritze des Landes NRW, aber die Art der Gegenfinanzierung ist sehr unglücklich.“ Gleichwohl kann sich Velbert nicht an der angestrebten Klage der Geberkommunen beteiligen – es fehlt schlichtweg der Anlass.

Neue Gemeindefinanzierung?
Insbesondere in den Jahren der Wirtschafts- und Finanzkrise wurde vor allem in den finanzschwachen Kommunen der Ruf nach einer grundlegenden Reform der Gemeindefinanzierung laut. So betont zum Beispiel der Heiligenhauser Kämmerer Michael Beck immer wieder: „Die von der allgemeinen Wirtschaftslage am stärksten abhängige Abgabe dient den Kommunen als wichtigste Säule ihrer Einnahmen. Wenig variable Einnahmegrößen aber fließen direkt an Bund und Land.“ Eine „gerechtere“ Verteilung würde nicht nur er sich wünschen, doch das Ansinnen ist eines, das sich bundesweit nicht durchsetzen lässt. Das weiß auch Daniel Zimmermann: „Ich mache mir da keine Illusionen. Aber es wäre gut, wenn die Landesregierung einfach den Empfehlungen der von ihr selbst in Auftrag gegebenen Gutachten folgen würde.“ Unter anderem meint er damit ein Gutachten des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts der Universität Köln, das vom Ministerium für Inneres und Kommunales NRW in Auftrag gegeben und im März dieses Jahres veröffentlicht wurde. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass nordrhein-westfälische Gemeinden im innerdeutschen Steuerwettbewerb benachteiligt sind und empfehlen daher eine Senkung der Nivellierungshebesätze. Geplant ist stattdessen von der Landesregierung eine weitere Anhebung des fiktiven Hebesatzes auf 412 Prozentpunkte ab 2014.

Und so geht vom Land NRW aus eine falsche Signalwirkung an die Kommunen: Wer in den vergangenen Jahren große Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung unternommen hat, wird nun für gutes Wirtschaften geradezu „bestraft“. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Düsseldorf schlägt stattdessen vor, dass das Land NRW - das seit 2011 jährlich 350 Millionen Euro für den Stärkungspakt aufbringt – auch die ab 2014 zusätzlich benötigten Mittel aus dem Landeshaushalt bestreiten soll. „Damit würde das Land NRW ein gutes Vorbild für die in Konsolidierungspflicht genommenen Stärkungspaktkommunen abgeben und damit eine positive Signalwirkung an die zum Sparen angehaltenen Ratsmitglieder in den notleidenden Städten senden. In Verbindung mit einer personellen und politischen Stärkung der Kommunalaufsicht im Sinne der Durchsetzungskraft ließen sich deutlich bessere Chancen für eine nachhaltige Sanierung der Gemeindefinanzen in NRW erkennen“, sagt Martin van Treek, als stellvertretender Leiter der Abteilung Recht und Steuern in der IHK zu Düsseldorf unter anderem für das Fachgebiet öffentliche Finanzen und Bankregulierung zuständig.



Autor: Muelders -- 02.11.2018; 20:57:42 Uhr

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